Die Rezeption der Kunst aus der DDR in der Bundesrepublik bis 1989

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2009

Die Rezeption der Kunst aus der DDR in der Bundesrepublik bis 1989

Als die Berliner Nationalgalerie im Jahr 2003 mit ihrer Ausstellung Kunst in der DDR. Eine Retrospektive nach eigenem Bekunden „eine seriöse Antwort auf die Frage nach dem künstlerischen Ertrag von 40 Jahren Kunst in der DDR“ zu geben versuchte, begann Werner Hofmann seinen Katalogbeitrag mit der lakonischen Feststellung: „Lange Zeit waren die Künstler der DDR dem Westen – sofern er sie überhaupt zur Kenntnis nahm – ein Ärgernis, eine Belanglosigkeit, ein Anachronismus. Heute, nach dem politischen Debakel vom November 1989, steht dieses ausgesparte Terrain erst recht im Abseits.“1

Wer die Ausstellung 60 Jahre 60 Werke – Kunst aus der Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 2009 im Berliner Martin-Gropius-Bau gesehen und im begleitenden Katalog die Textauszüge aus dem Ideenaustausch des beratenden Kuratoriums gelesen hat, der dem kurzfristig initiierten Ausstellungsprojekt vorausging, muss mit Erstaunen feststellen, dass Hofmanns Aussage noch immer nicht überholt ist. So antwortet Walter Smerling, der Projektorganisator und Herausgeber des Katalogbuches, auf die Bemerkung von Laszlo Glozer, dass Kunst aus der DDR ab den 1970er-Jahren Teil der bundesrepublikanischen Wirklichkeit war: „Wir zeigen die Kunst, die unter Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes möglich war, nämlich: freie Kunst. In der DDR war die Kunst nicht frei, also hat sie in der Ausstellung nichts zu suchen.“2 Unter den Teilnehmern des Kuratoriums blieb, wie der Diskussionsbeitrag von Ingrid Mössinger, Museumsdirektorin in Chemnitz, belegt, diese apodiktische Sichtweise nicht unwidersprochen.

Doch die in der Ausstellung präsentierte Exponatenauswahl hat für die Jahre 1949 bis 1989 die ostdeutsche Kunstszene ausgeblendet und damit auch international renommierte Künstler wie Hermann Glöckner, Gerhard Altenbourg und Carlfriedrich Claus ausgegrenzt. Gewiss, die Ausstellung zeigt interessante und für die bundesdeutsche Kunstszene signifikante Bilder und Objekte, aber es irritieren gravierende Lücken. So ist die gesellschaftskritische Kunst aus dem Westen weitgehend vernachlässigt, sieht man von Jörg Immendorffs Agitprop-Bildtafel Für wen? (1973) aus seiner LIDL-Periode ab, in der er dem Elfenbeinturm der zeitgenössischen Kunst-Ismen das arbeitende Volk als den Adressaten einer politische Einsichten vermittelnden Kunst entgegenhält. In der Ausstellung, die auf weiten Strecken dem Konzept einer reinen Ästhetik folgt, fehlen der kritische Realismus und die Gruppe SPUR, die sich dezidiert mit den gesellschaftspolitischen Verhältnissen in der Bundesrepublik auseinandergesetzt haben. Erstaunlicherweise sind auch zwei Gemäldefolgen mit keinem einzigen Beispiel zu sehen, die in einer unmittelbaren Beziehung zum Ausstellungsort und zur deutschen Nachkriegsgeschichte stehen. Während Rainer Fetting in seiner Bilderserie von 1978 Van Gogh an der Mauer die Lage des Martin-Gropius-Baus direkt vor der Mauer zeigt, ist Immendorffs Bilderfolge Café Deutschland (ab 1977) der politische und private Reflex auf seine 1976 beginnende Freundschaft mit Penck, den der Düsseldorfer Maler mehrfach in Dresden besucht hat.

Erstaunlich ist auch, dass Wolfgang Mattheuers Gemälde Hinter den 7×7 Bergen, das für das Jahr 1993 ausgewählt wurde, nicht durch einen Bildvergleich in Beziehung zu seiner Ursprungsfassung Hinter den sieben Bergen von 1973 gesetzt wird. (Auch das sehr instruktive elektronische Informationssystem in der Ausstellung verzichtet auf eine entsprechende Abbildung.) Da das frühere Bild künstlerisch deutlich kraftvoller ist, drängt sich ein Verdacht auf: Der Bildvergleich unterbleibt, weil nach Auffassung der Kuratoren in der DDR keine freie qualitätvolle Kunst entstehen konnte. Wer allerdings die Daten der Exponate sorgfältig registriert, entdeckt zumindest eine Inkonsequenz. Denn das für das Jahr 1979 ausgewählte Gemälde von A. R. Penck Wahl in den Osten ist in Dresden entstanden – ein Jahr, bevor der Künstler die DDR verlassen hat.

So stieß die Jubiläumsschau, die von der Bundeskanzlerin am 30. April 2009 eröffnet, vom Bundesinnenministerium finanziell gefördert und von Bild mit einer täglich erscheinenden Serie begleitet wurde, in den Feuilletons ganz überwiegend auf vehemente Kritik. Doch bleibt  auch nach dem Ende der nur sechs Wochen gezeigten Jubiläumsschau eine Irritation zurück, die uns signalisiert, dass wir von einem gesamtdeutschen Kulturbewusstsein weiterhin weit entfernt zu sein scheinen.

I                                                                                                                                                                                                             Die Gründe für das vier Jahrzehnte lange Desinteresse des Westens an der Kunst aus der DDR sind in den Konfrontationen des Kalten Krieges verankert, für die das von den Siegermächten verwaltete Nachkriegsdeutschland zum zentralen Schauplatz avancierte. Als sich 1949 die beiden deutschen Teilstaaten konstituieren, sind sie in das Interessensystem ihrer jeweiligen Vormächte eingebunden. So setzt die Sowjetische Militäradministration in der DDR den Sozialistischen Realismus nach sowjetrussischer Maßgabe mit tatkräftiger Unterstützung der SED-Kulturfunktionäre durch und polemisiert in ihren Propagandakampagnen gegen Dekadenz und Formalismus aus dem Westen. Ein Zeitungsbeitrag, mit dem die Sowjetische Militäradministration am 20. Dezember 1950 in ihrem Presseorgan, der Täglichen Rundschau, eine neue Anti-Formalismus-Kampagne einleitet, trägt die bezeichnende Überschrift „Verfall der bildenden Kunst im Westen“. Seine Polemik richtet sich gegen die gesamte Moderne, vor allem aber gegen die in der westlichen Kunst virulenten abstrakten Stiltendenzen.

In der Bundesrepublik führt die anwachsende Konfrontation Realismus contra Abstraktion zu einer weitreichenden Ausblendung gegenständlicher Kunst aus den Re-Visionen der Moderne. In ihren Publikationen, die sich die Wiederanknüpfung der deutschen Kunstentwicklung an die Vorkriegsmoderne zur Aufgabe stellen, machen sich die führenden deutschen Kunstpublizisten Werner Haftmann und Will Grohmann die Argumentation amerikanischer Kollegen zu eigen. Alfred H. Barr, Direktor des New Yorker Museum of Modern Art, konstruiert eine bruchlose Entwicklungslinie von Kandinsky zum Abstrakten Expressionismus und interpretiert den ausgeprägten Individualismus bei Jackson Pollock als dezidiertes Bekenntnis zu Demokratie und Freiheit, das es in das Nachkriegsdeutschland zu implantieren gilt. Am 14. Dezember 1952 publiziert Barr den Beitrag >Is Modern Art Communistic?< im New York Times Sunday Magazine.3  Darin verteidigt er die Maler des Abstrakten Expressionismus gegen den von Mc Carthy erhobenen Vorwurf kommunistischer Unterwanderung, indem er den „Nonkonformismus und die Freiheitsliebe der modernen Künstler“ zum Bollwerk gegen die sowjetische Diktatur und deren Postulat des Sozialistischen Realismus erklärt.

Ganz in diesem Sinne konzipiert Arnold Bode zusammen mit Werner Haftmann 1955 die documenta als Demonstration der freien Westkunst gegen die kommunistische Diktatur im Osten mit finanzieller Unterstützung der Politik und wählt mit Kassel als Veranstaltungsort eine unmittelbar an der Zonengrenze gelegene, von Kriegsschäden gezeichnete Stadt. Angelehnt an Barr, zeichnet auch Haftmann in seinem Einleitungstext zum Katalog eine Entwicklung abstrakter Stilrichtungen ohne Brüche, indem er die Neue Sachlichkeit und den expressiven Sozialrealismus der ASSO ganz ausblendet. Die Zeit des Nationalsozialismus betrachtet Haftmann zehn Jahre nach Kriegsende als eine überwundene Episode politischer Desorientierung. Durch Sperrdruck besonders akzentuiert, vermerkt Haftmann dann nachfolgend, dass „nicht ein Einziger in den europäischen Blickkreis hat treten können, ja, daß dort, wo sogar ganze Nationen durch Befehl ihrer politischen Klasse  aus dieser geistigen Kontinuität heraustraten – Russland seit 1921, Deutschland seit 1933 – (…) nicht ein einziges erinnerungswürdiges Werk entstanden ist.“ Politische Denkstrukturen des Kalten Krieges werden hier unterschwellig eingesetzt, um die Bundesrepublik mit dieser Moderne-Re-Vision als Teil der freien Welt zu manifestieren, während alle Kunst aus Russland, einschließlich der gesamten konstruktivistischen Avantgarde-Bewegung, als ideologisch manipuliert aus dem Entwicklungsfluss der Moderne ausgegrenzt wird.

In seiner Einführung zum Katalog der documenta II (1959) exemplifiziert Haftmann seine Ablehnung gegenständlicher Kunst konkret, indem er den antifaschistisch orientierten Realismus des Italieners Renato Guttuso und die existenzialistische Malerei der Franzosen Francis Gruber und Bernard Buffet ebenso geringschätzig bewertet und der „Verfälschung der dem zeitgenössischen Menschen aufgetragenen Wirklichkeitsbewältigung“ bezichtigt wie die Propagandabilder des Sozialistischen Realismus.5

Solche Ausführungen stoßen damals auf keinen ernsthaften Widerspruch. Nimmt doch im Westen Deutschlands niemand zur Kenntnis, wie anregend die melancholischen Figurationen der Franzosen um 1956 auf die Ostberliner Maler der schwarzen Periode eingewirkt haben und wie richtungweisend für den Hallenser Maler Willi Sitte zu dieser Zeit der antifaschistische Aufschrei Picassos und die kubistisch sowie expressiv durchpulste Gegenständlichkeit Renato Guttusos gewesen sind. Ermutigt durch derartige Anregungen von außen, bilden diese Künstler eine eigene, ihre Befindlichkeit widerspiegelnde Ausdrucksform aus, die sich von der Plakativität des Sozialistischen Realismus sowjetrussischer Vorgabe ebenso fernhält wie von der ihnen verbotenen informellen Abstraktion. Wo das Parteidiktat den kollektiven Aufbauoptimismus einfordert, finden sie eine Bildsprache, in die sie ihre Kriegserlebnisse und ihre existenzielle Vereinsamung hineinschreiben können. Doch von diesen vorsichtigen Ausbrüchen ostdeutscher Künstler aus der sozialistisch-realistischen Agitationskunst dringt kaum eine Information über die Grenze in die Bundesrepublik. Dort wird mit der internationalen Resonanz der ersten beiden documenta-Ausstellungen und deren stilbildendem Einfluss auf die westdeutsche Kunst das Fundament für die jahrelange Westignoranz gegenüber aller Kunst aus der DDR gelegt. In der Öffentlichkeitsarbeit von d 1 und d 2 wird eine sorgfältig konzipierte meinungsbildende Strategie wirkmächtig, die darauf abzielt, die in Westeuropa dominant gewordene Abstraktion als kulturpolitisches Freiheitssignal gegen den Kommunismus in Stellung zu bringen.

II                                                                                                                                                                                                         Bereits 1954 prognostizierte Haftmann in seiner umfangreichen Publikation >Malerei des 20. Jahrhunderts<, die über Jahre hinweg das auflagenstärkste Kompendium zur Entwicklungsgeschichte der Moderne ist, die Verfestigung der Abstraktion zu einer „Kunstlehre“, auf die „in breitester Front die europäische Malerei“ einschwenken wird.1955 ist die Ausrichtung der Westkunst gegen die kulturpolitischen Feinde der Freiheit aus dem Lager des Ostblocks bereits voll im Gang. Mit diesem Einschwenken auf die Abstraktion als „Weltsprache der Kunst“ ist die rigorose Abschottung des Westens gegenüber der Kunst aus Ostdeutschland verbunden. Alle Publikationen, die in der Bundesrepublik bis in die ausgehenden 1960er-Jahre zu den Kunstrichtungen seit 1945 ediert  werden, schreiben in der Grundtendenz die von Haftmann vorgezeichnete Sichtweise fort. Das Spektrum reicht von der dreibändigen >Kunst des 20. Jahrhunderts<, die Carl Georg Heise 1957 im Piper-Verlag herausgibt, bis zu der 1970 erschienenen deutschen Übersetzung von >Movements in Art since 1945< (1969) des britischen Autors Edward Lucie-Smith, die der Verlag Fritz Molden in sein Programm aufnimmt. Auch Will Grohmann, der 1946 in Dresden die erste >Allgemeine Deutsche Kunstausstellung< mitinitiiert hatte und veranlasst durch die Kampagne gegen den Formalismus in der Kunst 1948 in den Westen übergesiedelt war, profiliert sich mit seiner 1958 herausgegebenen Publikation >Neue Kunst nach 1945< ganz im Sinne von Arnold Bode und Haftmann für seine Aufnahme in den Ausschuss der d 2. Das als Anthologie konzipierte Buch versammelt Aufsätze einflussreicher Kunstvermittler aus den westeuropäischen Staaten sowie aus den USA und stimmt den Leser auf das Erscheinungsbild der d 2 ein. Grohmann selbst verantwortet den Beitrag über die zeitgenössische Kunst aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. In der Formulierung >Deutschland< manifestiert sich der von der bundesrepublikanischen Politik erhobene gesamtdeutsche Alleinvertretungsanspruch. Doch Grohmann nutzt ihn nicht, um Künstler aus Ostdeutschland in seinen Interpretationen zu berücksichtigen. Obwohl er zu dieser Zeit in der Bundesrepublik der wohl kenntnisreichste Kunsthistoriker in Bezug auf eine qualitative Einschätzung einzelner Künstlerpersönlichkeiten aus dem anderen Deutschland gewesen sein dürfte, setzt er sich weder in seiner Funktion als documenta-Beirat noch in seinem Essay für die Berücksichtigung von Kunstwerken ostdeutscher Herkunft ein. Nicht einmal das mit abstrakten Papiercollagen und experimentellen Metallarbeiten höchst innovative Spätwerk Hermann Glöckners findet Grohmanns Fürsprache für eine Berücksichtigung in der d 2, obwohl sich der Kunsthistoriker und der Künstler aus den ersten Dresdner Nachkriegsjahren bestens kennen: Anders als Grohmann integriert dagegen Dietrich Mahlow Glöckners aktuelles Oeuvre mit 14 Exponaten in seine Baden-Badener Ausstellung Metalldrucke – Collagen – Materialbilder von 1958, nachdem  bereits 1956 und 1957 der Deutsche Künstlerbund Werke Glöckners in seinen Düsseldorfer und Berliner Leistungsschauen registriert hatte.6

Grohmanns Kunst vermittelnde Tätigkeit ist im Umfeld der d 2 offensichtlich von Strategien kulturpolitischer Opportunität geleitet. Sein Ziel ist seine Einbindung in das international vernetzte Team, das die Protagonisten der Weltsprache Abstraktion qualitativ bestimmt und im documenta-Ambiente inszenatorisch interpretiert.

III                                                                                                                                                                                                       Bei der d 3 (1964) unterläuft die in Amerika vehement in Erscheinung tretende Pop Art mit der Wiedergewinnung des Gegenstandes und der Annäherung an das Alltagsleben die bis dahin unangefochtene Hegemonie der abstrakten Kunst. Haftmanns Planung und Inszenierungsregie der d 3 ist zwar immer noch darauf ausgerichtet, das Modell „Weltsprache Abstraktion“ zu rechtfertigen. Doch die Kritik tritt dieser Intention nun deutlich entgegen, und der ehemals abstrakt-expressiv malende Künstler Hans Platschek, der sich nun dem Kritikerberuf zuwendet, wagt es, mit Ernst Wilhelm Nay den deutschen Exponenten der Abstraktion vom Sockel zu stoßen.

Als Will Grohmann in der folgenden Umbruchphase 1966 den Auftrag erhält, seine 1958 herausgegebene Publikation zu überarbeiten und zu aktualisieren, reagiert er auf diesen Wandel. Erneut schreibt er selbst den Beitrag über die Kunst in den  deutschsprachigen Ländern, benutzt – wie schon 1958 – in der Kapitelüberschrift das Wort >Deutschland< und entzieht sich mit dieser geografischen Raumbezeichnung einer den realen Verhältnissen entsprechenden Differenzierung zwischen ost- und westdeutscher Kunst sowie einer kulturpolitischen Situationsanalyse. Doch mit Gerhard Altenbourg und Carlfriedrich Claus werden nun – anders als 1958 – zwei in der DDR lebende Künstler kurz vorgestellt, ohne dass jedoch ihre Herkunft aus Ostdeutschland Erwähnung findet. Grohmann typisiert Altenbourg mit einem Satz als „versponnenen Sonderling“ mit „Jean Paulscher Poesie“, dessen „Schriftzüge einen Weg zwischen Gestern und Morgen“ suchen.7 Zu den skripturalen Kalligrafien von Carlfriedrich Claus vermerkt Grohmann ihre formalästhetische Synthese von „Dichten und Bilden“, interpretiert aber mit keinem Wort den Gehalt der Notate, die u. a. im Anschluss an Karl Marx und Ernst Bloch Gedanken über eine freie sozialistische Gesellschaft speichern.8 Da beide Künstler als Außenseiter der Kunstszene in der DDR zu dieser Zeit keine Unbekannten in westdeutschen Kunstvermittlerkreisen mehr sind, stellt sich die Frage, weshalb Grohmann derart zurückhaltend – und  betont unpolitisch – in seinen Werkdeutungen bleibt.

Es ist nicht anzunehmen, dass eine fortgesetzte Anpassung an den Haftmannschen Künstlerkanon den Blick Grohmanns über die Grenze so unverbindlich ausfallen lässt. Es dürften hier eher Rücksichtnahmen auf die Gefährdung der beiden Künstler durch eine allzu intensive Westwahrnehmung motivierend gewesen sein. Denn Grohmann stand seit 1951 mit Claus in kontinuierlichem Briefwechsel, darüber hinaus gab es Kontakte zwischen Claus und Bernard Schultze, und 1959 war ein Tonband mit Sprachexerzitien in die Hände von Franz Mon gelangt, woraus sich Kooperationen mit Vertretern der visuellen Poesie und der Fluxus-Bewegung anbahnten. Gerhard Altenbourg war schon in den ausgehenden 1950er-Jahren von der Westberliner Galerie Rudolf Springer in zwei Einzelausstellungen gewürdigt worden. Und 1964 widmete ihm die seinerzeit noch in Hannover ansässige Galerie Brusberg eine erste Einzelausstellung in der Bundesrepublik.9 Doch diese substanziellen Werkrezeptionen hatten für beide Künstler die verstärkte Observierung durch den Staatsicherheitsdienst der DDR zur Folge. Auf einem Höhepunkt des Kalten Krieges – nach der Berlin-Krise und dem Mauerbau – hat Grohmann eine Vorstellung davon, wie rigoros die Kulturadministration der DDR ihre unangepassten Künstler observiert und ihre Westkontakte mit Sanktionen bedroht. Seine hier zitierten Interpretationen sind daher signifikante Beispiele für die Vorsicht, mit der verantwortungsbewusste Kunstkritiker und Kunstvermittler über Künstler wie Claus und Altenbourg berichten.

IV                                                                                                                                                                                                       In den 1960er-Jahren ist ein unzensiertes Sondieren der ostdeutschen Kunstlandschaft für westdeutsche Journalisten und Kritiker kaum möglich. Was die offiziellen Instanzen und Verbandsausstellungen propagieren, bekundet häufig die erzwungene Anpassung der Kunst an das kollektive Leben im Sinne des Bitterfelder Weges, wofür die Karriere und das Werk des Leipziger Malers Heinrich Witz ein signifikantes Beispiel bieten. Mitte der 1960er Jahre zeichnet sich, erkennbar auf der 7. Bezirkskunstausstellung in Leipzig, eine allmähliche Wende zu individuellen Ausdrucksformen und einem kritischen Realismus ab, die aber deutlich später als die Literatur aus der DDR im Westen Beachtung findet. 1972 kann die VII. Kunstausstellung der DDR in Dresden bei westdeutschen Kunstpublizisten ein vorsichtiges Interesse wecken, nachdem Willy Brandt 1969/70 erste Schritte einer deutsch-deutschen Entspannungspolitik eingeleitet hatte. In den Exponaten der Dresdner Ausstellung zeichnet sich vor allem bei den Werken der „Leipziger Schule“ eine Abkehr von plakativen Stilklischees ab, und ein Sondieren neuer Stiltendenzen innerhalb der Figuration wird sichtbar, die auf Vorbilder der Tradition wie Leger, Beckmann und Corinth zurückgreifen.

In der Bundesrepublik ist der Zeit-Journalist Peter Sager 1973 einer der ersten, der diesem gewandelten Realismus aus der DDR in seinem Buch >Neue Formen des Realismus. Kunst zwischen Illusion und Wirklichkeit< 1973 nachgeht. Mit der documenta 5 (1972) ist  der amerikanische und europäische Fotorealismus schlagartig in den Fokus der Kunstavantgarde getreten. Sager verbindet seine Darstellung zu diesen Abbildern einer kapitalistischen Konsumkultur mit einer Reflexion über die Frage, wie weit Realismus politisch sein kann, ohne zur agitatorischen Propaganda zu verflachen. Seine Beispiele entnimmt er nicht nur einem gesellschaftskritischen Realismus aus Frankreich, Italien und der Bundesrepublik, sondern thematisiert auch Gemälde von Wolfgang Mattheuer, Werner Tübke, Willi Sitte, Heinz Zander und Gerhard Kurt Müller. Damit korrigiert und erweitert er das Bild vom Sozialistischen Realismus aus der DDR durch den Nachweis individueller stilistischer Handschriften.

1975 wagt Uwe M. Schneede die Organisation einer Einzelausstellung mit Werken Willi Sittes im Hamburger Kunstverein. Zehn Jahre zuvor hatte der Marxist Richard Hiepe in seiner kleinen Neuen Münchner Galerie bereits eine erste Ausstellung mit Gemälden und Zeichnungen Sittes „anlässlich des 20. Jahrstages der Zerschlagung des Hitlerfaschismus“ gezeigt und dazu in der von ihm herausgegebenen DKP-verbundenen Zeitschrift tendenzen ein umfangreiches Sonderheft über >Künstler in der DDR< publiziert. Der Katalog zu dieser Münchner Sitte-Ausstellung enthielt einen 1964 verfassten essayistischen Text von Christa und Gerhard Wolf mit dem Titel >Sittes Atelier<, der immerhin die Süddeutsche Zeitung (vom 4. Juni 1965) zu einer Rezension der Ausstellung veranlasste. Die Aktivitäten der Hiepe-Galerie und der 1960 von einer Projektgruppe der KP gegründeten Zeitschrift tendenzen wurden – wie der stellvertretende Leiter des Staatlichen Kunsthandels der DDR, Rüdiger Küttner, in einem Gespräch mit Andreas Karl Öhler am 19.1.1998 ausgeführt hat – von der Kulturadministration der DDR zwar jahrelang finanziell unterstützt, in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre wurde aber die politisch-ideologische Wirkung als wenig effektiv eingeschätzt.10

Um so höher wird in der DDR der Stellenwert der Sitte-Ausstellung im renommierten Hamburger Kunstverein veranschlagt, zumal man auch für diese Ausstellung eine Kooperation mit der DKP durchsetzen kann, was in den Kommentaren der Westpresse heftige Diskussionen bis hin zur strikten Ablehnung solcher Zusammenarbeit auslöst. Unisono nimmt man die Malerei Sittes als Modell einer mit der SED-Politik konformen Kunst wahr. Auch bei einer weiteren Einzelausstellung von Wolfgang Mattheuer im Hamburger Kunstverein (1977) überschattet der erneute Kooperationszwang mit der DKP die vorurteilsfreie Rezeption durch die Presse. Nur wenige Kritiker – allen voran der FAZ-Redakteur Eduard Beaucamp – konzentrieren sich auf Stil und Themen der ausgestellten Werke, bei den meisten Kritikern überlagern politische Argumente die Werkwahrnehmung und -deutung. Bei Sittes Ausstellung wird die kulturpolitische Position des Künstlers als Präsident des Verbandes Bildender Künstler, der seit 1976 auch der Kulturkommission beim Politbüro der SED angehört, besonders apostrophiert. Daraus entwickelt sich – durchaus plausibel – das Etikett des „Staatskünstlers“. Diese Sichtweise wird in den folgenden Ausstellungen – undifferenziert – auf alle vom Staatlichen Kunsthandel der DDR vertretenen und an westdeutsche Kunstinstitutionen vermittelten Künstler generalisierend ausgedehnt.

Nur selten wird es auf informellen Wegen möglich, Ausstellungen von Außenseitern aus der DDR zu realisieren. Nachdem Wilhelm Rudolph, der Chronist der Zerstörung Dresdens, bereits 1965 im Stuttgarter Gewerkschaftshaus seine subtilen Grafiken und Zeichnungen präsentieren konnte, gelingt Jürgen Harten Ende 1975/76  in der Kunsthalle Düsseldorf eine Einzelschau mit Werken von Wilhelm Rudolph – in einer Phase des deutsch-deutschen politischen Goodwill. Vorsichtig konstatiert er im Katalog: „Es steht uns nicht zu, die Bedeutung Rudolphs für die Kunst der Deutschen Demokratischen Republik zu beurteilen. (…) Für eine eingehende kunsthistorische Erörterung seines Werkes fehlen uns die Voraussetzungen. (…) Wir haben uns deswegen, statt einer Einführung, mit einem Gespräch begnügen müssen, zu dem Gotthard Graubner, ein ehemaliger Schüler Rudolphs, wesentlich beigetragen hat.“11

V                                                                                                                                                                                                           Die Zwangausbürgerung von Wolf Biermann stört die ersten vorsichtigen Anzeichen einer kulturellen Annäherung nachhaltig. Nur wenige bildende Künstler, darunter Fritz Cremer als Erstunterzeichner einer von 12 namhaften Autoren verfassten Protesterklärung, sind unter den Künstlern, die sich gegen diese rigorose politische Maßnahme wenden (Charlotte Pauly, Peter Herrmann, Peter Graf, Horst Sagert, Lothar Reher, Nuria Quevedo, Christa Sammler und Bernd Wilde). Der kranke Fritz Cremer zieht seine Unterschrift unter dem Druck der Parteifunktionäre sogar wieder zurück. Dadurch werden Skepsis und Misstrauen gegenüber bildenden Künstlern aus der DDR erneut bestärkt. Auf der documenta 6(1977) entlädt sich das Ressentiment der westdeutschen Presse gegen das Staatskünstlertum. Die in Kassel als offizielle Premiere der DDR-Kunst vor internationalem Publikum geplante Präsentation von vier Malern (Heisig, Mattheuer, Sitte und Tübke) und zwei Bildhauern (Fritz Cremer und Jo Jastram) wird zum Stein des kulturpolitischen Anstoßes. Baselitz und Lüpertz legen Protest ein gegen die Entfernung von Pencks (im Katalog noch abgebildetem, aus der Sammlung Ludwig stammendem) Gemälde aus den Rauminszenierungen des Fridericianums. Lediglich in der Abteilung >Zeichnungen< ist Penck mit zwei kleinformatigen Arbeiten vertreten.12 Den documenta-Organisatoren, die der Ausgrenzung Pencks nachgegeben und die Auswahl der Künstler aus der DDR sowie der von ihnen gezeigten Werke den Kulturfunktionären aus der DDR überlassen haben, wirft man die Preisgabe der im Grundgesetz verankerten Unabhängigkeit der Kultur vor. Mit diesem berechtigten Vorwurf gegenüber den Organisatoren der d 6 wird zugleich die von Haftmann formulierte These reaktiviert, dass unter politischer Vormundschaft einer Diktatur, wie sie in der DDR herrsche, nur unfreie Kunst entstehen könne, die den Namen >Kunst< nicht verdiene.

Die Polarisierung der Ostpolitik in Befürworter und Gegner einer Annäherung zwischen den beiden deutschen Staaten überträgt sich auf die Beurteilung von Kunst aus der DDR, deren Vermittlung im Wesentlichen durch kulturpolitische Instanzen in beiden Staaten gemanagt wird. Motiviert durch die seit 1970 betriebene Entspannungspolitik und die von Erich Honecker seit dem VIII. Parteitag verkündete Parole von der „Breite und Vielfalt der persönlichen Handschriften“ in der Kunst erscheint 1977 im Umfeld der d 6 im Anabas-Verlag die von Hubertus Gassner und Eckhart Gillen herausgegebene Publikation >Kultur und Kunst in der DDR seit 1970<. Ihr Ziel ist es, einen Überblick zu den neuen Ansätzen in Theorie und Praxis des künstlerischen Schaffens in der DDR zu vermitteln. Zu den Autoren gehört mit Ullrich Kuhirt ein Kunstwissenschaftler, der als Professor an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED die offizielle Lesart der von der SED gewünschten Kunstpolitik vertritt. Obwohl die Herausgeber Kuhirts Mitautorenschaft mit dem Argument kontroverser Diskussion begründen, stößt das Buch zum Zeitpunkt seines Erscheinens im Gefolge der d 6-Kontroverse und der Biermann- Zwangsausbürgerung auf deutliche Vorbehalte.

Inzwischen ist offenkundig, dass die Signale der SED-Kulturpolitik keine Liberalisierung in den Künsten ankündigten, sondern die Künstler  nach dem Ende der Ulbricht-Ära lediglich motivieren und ermutigen sollten, sich an die Seite der neuen Parteiführung zu stellen. Wo Künstler wie Penck oder Roger Loewig in ihren Werken den eng gezogenen politischen Toleranzbereich der SED überschreiten, wird ihre Dissidenz mit massiven Restriktionen geahndet. Wie die SED in den Jahren 1945 bis 1965 die Unterdrückung unliebsamer Künstler betrieben hatte, ist das Thema des ebenfalls 1977 erscheinenden Buches von Edda und Sieghard Pohl >Die ungehorsamen Maler<. Doch so gering das westdeutsche Interesse an der offiziell geförderten Kunst aus der DDR bleibt, so wenig Resonanz findet auch das kritische Bildpotenzial der ungehorsamen Maler, die unter dem Zwang der kulturpolitischen Verhältnisse  im Anschluss an die d 6  aus der DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt sind. Eine Ausnahme stellt allein Penck dar, der durch seine Einbindung in den westdeutschen Kunstmarkt seit 1968 einen besonderen Stellenwert als autonomer dissidenter Künstler aus der DDR erhält und 1980 in die Bundesrepublik ausreist.

Als der Exportverlag Edition Leipzig 1977 einen westdeutschen Verlagspartner für die Buchpublikation des Kunstwissenschaftlers Lothar Lang >Malerei und Graphik in der DDR< sucht, muss er feststellen, dass die Ausgrenzung von Pencks systemkritischem Denken in dessen >Standart<-Bildern zum unüberwindlichen Hindernis einer deutsch-deutschen Kooperation wird. Da alle bundesdeutschen Kunstbuchverlage eine Lizenzproduktion ablehnen, kann das Werk nur als kleine Auflage in einem Schweizer Verlag (Bucher) erscheinen. Die von Seiten der DDR intendierte publizistische Etablierung einer von ihr sanktionierten Sicht auf die Entwicklung und das Erscheinungsbild von Kunst aus der DDR gelingt somit allenfalls in einem stark eingeschränkten Umfang. In der westdeutschen Vorstellung von Kunst aus der DDR bleiben weiterhin die kraftstrotzenden Werktätigen von Willi Sitte als sozialistische Ikonen verankert, während die Phalanx der aus der DDR weggegangenen Künstler wie Baselitz, Uecker und Richter zu Symbolfiguren der Befreiung von politischer Unterdrückung avanciert.

Mein eigener Versuch, 1980 einen Überblick über die Malerei und Grafik in der DDR aus einer beschränkt informierten, unbefangenen westdeutschen Sicht zu vermitteln, der auf zahlreiche Informationsreisen in die DDR seit Anfang der 1970er-Jahre zurückgeht, wird zumal von den ostdeutschen Künstlern aufmerksam registriert, worauf häufige Erwähnungen in den Katalogbiografien der VIII. Kunstausstellung der DDR hindeuten – ohne dass es verständlicherweise offizielle Reaktionen oder Rezensionen in der DDR gegeben hätte.  Dem darauf zurückgehenden Kontakt mit Klaus Werner verdanke ich die Erkenntnis meines beschränkten Blicks, dem zwar nicht die prominenten Avantgardisten aus der DDR wie Glöckner, Altenbourg, Claus und Penck entgangen waren, wohl aber viele begabte jüngere Künstler, die sich in der anwachsenden inoffiziellen Cross-Culture der DDR eingerichtet hatten. Sie zu entdecken, sollte den 1980er-Jahren und mir selbst in meinem 1985 erschienenen Buch >Zweimal deutsche Kunst<  vorbehalten bleiben, und daran hatten Klaus Werner, Gabriele Muschter und Christoph Tannert, später auch Judy Lybke einen wesentlichen Anteil.

VI                                                                                                                                                                                                     Am Ende der 1970er-Jahre werden die beiden letzten Ausstellungen mit Kunst aus der DDR über den Kontakt mit politischen Organisationen ausgerichtet und vom Zentrum für Kunstausstellungen der DDR organisiert. In einer durch die DKP vermittelten Ausstellung präsentiert Katrin Sello im Kunstverein Hannover vom 2. Dezember 1979 bis 3. Februar 1980 Kunst aus dem Bezirk Halle, von Albert Ebert über Uwe Pfeifer bis zu Willi Sitte, in die das Werk von Karl Völker aus den 1920er-Jahren als Traditionshintergrund integriert ist.13 Die ein halbes Jahr später gezeigte Ausstellung Mensch und Umwelt – Malerei Grafik Plastik aus der DDR im Künstlerhaus Bethanien (Mai bis Juli 1980) wird zum Politikum eigener Art. Weil nach Lesart der DDR Westberlin eine „selbständige politische Einheit“ bildet, wird nicht die DKP zum politischen Partner, sondern über die Zusammenarbeit mit der Majakowski-Galerie die „Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft Westberlin“. In der Ausstellung, für deren Katalog Ullrich Kuhirt einen längeren Einleitungstext verfasst hat, sind vor allem Künstler der jüngeren Generationen vertreten: u. a. Manfred Butzmann, Sighard Gille, Michael Morgner, Wolfgang Peuker, Uwe Pfeifer, Arno Rink, Volker Stelzmann, Claus Weidensdorfer.

Mit der Verkaufsausstellung Künstler aus der DDR, die am 5. April 1981 mit Unterstützung des Industriellen Georg Schäfer von den Galerien Brusberg (Hannover) und Meyer-Ellinger (Frankfurt) in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Kunsthandel der DDR in der Jahrhunderthalle Hoechst veranstaltet wird, erfolgt die Wende von der vorrangig politischen zu einer dominant ökonomischen Zwecksetzung bei der Präsentation von Kunst aus der DDR in der Bundesrepublik. Diese Neuorientierung wird dadurch nachhaltig unterstrichen, dass der Staatliche Kunsthandel nur zwei Monate später erstmals an der internationalen Kunstmesse ART Basel teilnimmt.

1982 versucht die mit großem Presseaufwand angekündigte und von der Kunstzeitschrift art  mit einem opulenten Katalog spektakulär inszenierte Ausstellung Zeitvergleich eingefahrene Wahrnehmungsklischees zu durchbrechen. Am 20. November eröffnet der Hamburger Kunstverein die Schau, die als „Verkaufsausstellung des Staatlichen Kunsthandels der DDR in Zusammenarbeit mit der Galerie Brusberg, Hannover“ annonciert wird. Sie zeigt Werke von 13 Malern, neben den d 6-Teilnehmern auch Altenbourg, Claus, Hartwig Ebersbach, Sighard Gille, Gerhard Kettner, Gregor Thorsten Kozik, Walter Libuda, Volker Stelzmann und Hans Vent, die Dieter Brusberg, Axel Hecht und Uwe Schneede ausgewählt haben, und macht anschließend in Stuttgart, Düsseldorf, München, Nürnberg und Hannover Station.

Eine Exponatenauswahl von durchweg hoher Qualität, die Beteiligung unangepasster Künstler und die von westdeutschen Autoren verfassten Künstlerporträts bringen eine neue Perspektive in die Präsentation von ostdeutscher Kunst auf westdeutschem Boden. Doch das als provokant empfundene Katalog-Vorwort  von Günter Grass, in dem er die Künstler in Deutschland als „Mauerspringer aus Passion“ und den kraftvollen Realismus in der ostdeutschen Kunst würdigt, lenkt die Aufmerksamkeit verstärkt auf die politischen Implikationen der Ausstellung. An Mauersprüngen, also an Begegnungen der Künstler, ist den Kulturinstanzen der DDR allerdings wenig gelegen, sie fürchten die Folgen eines künstlerischen Gedankenaustauschs. Ostdeutsche Künstler, die nicht zu den Teilnehmern gehören, können die Ausstellung nicht besuchen, und unter westdeutschen Künstlern findet sie wenig Widerhall.

Nur der in den USA lebende, sich mit politisch-konzeptioneller Kunst profilierende Hans Haacke reagiert 1984 auf die Zeitvergleich-Wanderausstellung mit der parodistischen Installation >Weite und Vielfalt der Brigade Ludwig<. Haacke ironisiert mit dieser Installation nicht nur die modernistische Handschrift, mit der ein Staatskünstler wie Walter Womacka auf westdeutschem Boden in Erscheinung tritt. Er entlarvt auch das Gemisch unterschiedlicher Interessen von Politik, Kunsthandel und Industrie, das sich hinter den nun vermehrt in Szene gesetzten Ausstellungen mit Kunst aus der DDR und den Sammlungsaktivitäten des Industriellen Peter Ludwig verbirgt. Ludwig, der seine Schokoladenexporte in die DDR mit Kunst kompensieren lässt, avanciert in kurzer Zeit zum Sammler umfangreicher Werkkonvolute von Kunst aus der DDR. Deren Nobilitierung durch eine Dauerpräsentation, Seite an Seite mit Werken westdeutscher Künstler, die Peter Ludwig am wichtigsten Standort seiner Sammlungsaktivitäten, dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum, angestrebt hat, ist ihm – vor allem wegen der hartnäckigen Weigerung des damaligen Museumsdirektors Siegfried Gohr – nicht gelungen. Auch die Kataloge zu seinen Beständen von Kunst aus der DDR, 1979 von der Neuen Galerie Aachen von der Ausstellung Kunst heute in der Deutschen Demokratischen Republik begleitet  und 1984 mit der Schau Durchblick im 1983 gegründeten Ludwig Institut für Kunst aus der DDR in Oberhausen verbunden, bleiben in weiten Kreisen der westdeutschen Kunstkritik mit dem Hautgout politisch-wirtschaftlicher Interessenüberlagerung behaftet. Besondere Kritik löst die Ausblendung Pencks aus eigenen Ausstellungsaktivitäten aus, die Ludwig mit der unzutreffenden Behauptung begründet, Penck habe sich einer Mitgliedschaft im Künstlerverband der DDR verweigert.

VII                                                                                                                                                                                                    Dass sich ab 1980 erweiterte Möglichkeiten für Ausstellungsprojekte mit Kunst aus der DDR abzeichnen, zeigen eine von Christoph Brockhaus im Dezember 1980 realisierte Ausstellung mit 50 Plastiken und 180 Zeichnungen von Fritz Cremer im Wilhelm Lehmbruck Museum Duisburg sowie Aktivitäten des Neuen Berliner Kunstvereins im Jahr 1982. Dort wird im April eine Ausstellung mit Werken von Hermann Glöckner eröffnet, im Dezember folgt eine Werkschau zu Dieter Tucholke. Der Oldenburger Kunstverein rückt die Kunst aus der DDR in den Kontext Aktuelle Kunst aus Osteuropa und präsentiert im September 1982 u. a. Werke von Erhard Monden, Michael Morgner und Robert Rehfeldt, die per Brief regen Gedankenaustausch mit west- und osteuropäischen Künstlerkollegen pflegen.

Eine interessante Entwicklung zeichnet sich 1985 ab, als zwei Ausstellungen vier Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Rückblicke auf die Entwicklung der Kunst in Deutschland vornehmen. Die vom Pharmaunternehmen Boehringer initiierte und finanzierte Ausstellung 100 Jahre Kunst in Deutschland 1885 – 1985, die vom 28. April bis 30. Juni 1985 in Ingelheim gezeigt wird, präsentiert unter der Rubrik „Künstler aus der DDR“ Werke von Altenbourg, Heisig und Tübke. Im Kontrast zu dieser gesamtdeutschen Sicht enthält die ein dreiviertel Jahr später eröffnete Schau der Stuttgarter Staatsgalerie Deutsche Kunst im 20. Jahrhundert. Malerei und Plastik 1905 – 1985 (8. Februar bis 27. April 1986) für die Zeit nach 1945 ausschließlich Werke von Künstlern, die in der Bundesrepublik leben.

1985 ist es Gosbert Adler und Wilmar Koenig im Rahmen der Westberliner „Freunde der Werkstatt für Fotografie“ in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Kunsthandel der DDR gelungen, eine Ausstellung mit Katalog >DDR Foto< zu realisieren, die wichtige Fotografen der jungen Generation wie Christian Borchert, Thomas Florschuetz, Gundula Schulze, Rudolf Schäfer und Ulrich Wüst vorstellt. Drei Jahre später widmet sich die Zeitschrift Niemandsland unter dem Titel „Angehaltene Zeit“ ausführlich neuen Tendenzen in der Fotografie der DDR.

Einen publizistischen Sonderfall stellt der Katalog >Tiefe Blicke< dar, der zur Präsentation eines neuen Sammlungsbestandes im Hessischen Landesmuseum Darmstadt mit „Kunst der achtziger Jahre aus der Bundesrepublik Deutschland, der DDR, Österreich und der Schweiz“ 1985 im Kölner DuMont Buchverlag erscheint. Im Vorwort bemerkt der Direktor des Museums Johann-Karl Schmidt: „Zum ersten Mal in einem Museum der Bundesrepublik ist auch die junge Kunst der DDR zu sehen, und zwar nicht jene kunstpolitisch gebilligten Werke des gewöhnlichen Kulturaustausches, sondern Bilder, die ungeachtet aller Schwierigkeiten entstehen.“ Es sind nur wenige Beispiele, Reinhard Sandner aus Dresden, Wolfram Adalbert Scheffler aus Ostberlin und die von Hartwig Ebersbach betreute Leipziger experimentelle Künstlergruppe 37,2, die neben den kurz zuvor nach Westberlin übergesiedelten Malern Ralf Kerbach und Cornelia Schleime vorgestellt werden, doch eröffnet diese publizistische Konzeption einen erweiterten Wahrnehmungshorizont auf Kunst aus der DDR. Dies unterstreichen zwei Katalogbeiträge von Eckhart Gillen und – eine pikante Fußnote – von Sascha Anderson, der im Erscheinungsjahr des Katalogs noch in Ostberlin lebt. Sein Text enthält eine erstaunliche Polemik gegen drei „Staatsmaler“:

„HERR SITTE LÄSST FICKEN
HERR TÜBKE DELABORIERT
HERR HEISIG FLAGGT FAUSTKEILE
DER HALBMAST IST SCHON KONSTRUIERT.“14

Diese provokanten Verse ihres IM dürfte die Stasi vor deren Übermittlung an den Verlag wohl nicht gekannt und gebilligt haben.

VIII                                                                                                                                                                                                  Erst am 6. Mai 1986 gelingt es, ein bereits im Grundlagenvertrag von 1972 als eine Folgevereinbarung anvisiertes Kulturabkommen zwischen den beiden deutschen Staaten zu schließen, das jedoch von Skeptikern eher als kontrollierte Kanalisierung des künftigen Kulturaustausches empfunden wird, wie vor allem Günter Grass kritisch angemerkt hat. Immerhin ist im Umfeld des Kulturabkommens eine gewisse Belebung von Ausstellungsaktivitäten unverkennbar.

Seit Mitte der 1980er-Jahre finden verschiedene Projekte im Rahmen des deutsch-deutschen Kulturaustausches statt, von denen hier die von Salamander gesponserte Esslinger Exposition Kunst der DDR in den achtziger Jahren (17. Mai bis 19. Juni 1986) sowie die vom Land Nordrhein-Westfalen initiierte Ausstellung Menschenbilder hervorgehoben werden sollen. Letztere wurde am 12. November 1986 von Johannes Rau in der Bonner Landesvertretung eröffnet und gastierte anschließend in Münster und Saarbrücken. Im Gegenzug konnte übrigens gegen den Widerstand von Willi Sitte mit Unterstützung der Akademie der Künste und des stellvertretenden Kulturministers Dietmar Keller eine in der DDR viel beachtete Ausstellung mit frühen Zeichnungen von Beuys im Ostberliner Marstall und in der Galerie der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst (Jan.- April 1988) gezeigt werden.

Eine direkte Folge des Kulturabkommens ist die im September 1987 eröffnete Ausstellung Bildhauerkunst aus der DDR im Rheinischen Landesmuseum Bonn, die in einem umfassenden Überblick 50 Bildhauer aus der DDR vorstellt und anschließend in München und Mannheim zu sehen ist. Dass es sich hierbei auch um ein Politikum handelt, macht das Vorwort von Wolfgang Schäuble, seinerzeit Chef des Bundeskanzleramtes, deutlich. Sie folgt der Ende Oktober 1986 bis Januar 1987 im Ostberliner Alten Museum und in Dresden präsentierten Schau Positionen, die erstmals elf der wichtigsten Künstler aus der Bundesrepublik in der DDR bekannt gemacht hat.15

Solche kulturellen Kooperationsprojekte rufen gleichzeitig das Bemühen der DDR-Politik hervor, die politische Abgrenzung zu betonen. Zu dieser Abgrenzung gehört das Konzept der „sozialistischen Nationalkultur“ ebenso wie die Konstruktion einer sozialistischen Nationalgeschichte mit eigenen Traditionen. Als ich 1985 mit meiner Publikation >Zweimal deutsche Kunst<, die den Untertitel „40 Jahre Nähe und Ferne“ trägt, hinter der Realität zweier Staatsgründungen auch nach einem gemeinsamen Traditionsfundus suchte, der sich in der Kunst und Kultur der beiden Teilstaaten auf deutschem Boden wiederfindet, und außerdem eine Reihe unangepasster Künstler vorstellte, erregte ich den Unmut der Kulturinstanzen in der DDR.

Auch bei der zweiten Zeitvergleich-Unternehmung (die am 10. September 1988 durch den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen und Dietmar Keller als Festspiel-Ausstellung prominent eröffnet wird) zeigt sich die kulturpolitische Brisanz gesamtdeutscher Kunstprojekte. Die DDR verhindert, dass Beiträge zum Katalog von Henry Schumann, Christoph Tannert, Klaus Werner und Diether Schmidt in Auftrag gegeben werden können. Die ursprünglich für den Katalog vorgesehene, von Günter Feist unter Mitarbeit von Eckhart Gillen verfasste Chronik zur Kunst und Kunstpolitik der DDR muss auf Druck der DDR entfallen und erscheint unter dem Titel >Stationen eines Weges< schließlich als eigenständige Publikation des Museumspädagogischen Dienstes Berlin.

Doch die Steuerungsversuche, die die SED für Präsentationen mit Kunst aus der DDR in den 1980er-Jahren unternimmt, werden  zunehmend von Kräften unterlaufen, die sich in den Zirkeln einer nonkonformistischen Kunst zusammenfinden. Mit ausgereisten oder ausgewiesenen Freunden vernetzt, schaffen sich die aus dem Staatsauftrag ausgestiegenen Künstler eigene Kommunikationswege, die auch die Grenze überwinden. Dazu gehören  intermediäre handgefertigte Künstlerbücher, aber seit Ende 1987 auch die Westberliner Zeitschrift Niemandsland, an der Autoren aus dem Osten und Westen gleichermaßen beteiligt sind.

Allerdings sind in den Werkpräsentationen ostdeutscher Kunst, die westdeutsche Wirtschaftsunternehmen wie Hoechst, Salamander und einzelne Landesregierungen, vor allem Nordrhein-Westfalen, in den achtziger Jahren organisieren, stets die Favoriten des Staatlichen Kunsthandels der DDR vertreten, wobei Gerhard Altenbourg und Carlfriedrich Claus als Vertragspartner der Galerie Brusberg wichtige, ökonomisch begründete Ausnahmen darstellen. Nur selten ergreifen die Ausrichter solcher Veranstaltungen Initiativen, die Künstlerbeteiligung nach eigenen Vorstellungen durchgreifend zu beeinflussen.

IX                                                                                                                                                                                                    Das Verdikt, dass der deutsch-deutsche Kunstdialog von der Politik instrumentalisiert worden sei, findet sich in der Westpresse vor und nach dem Ende der DDR. Werner Hofmann hat nicht übertrieben, wenn er noch 2003 bilanziert, dass die Kunst aus der DDR für den Westen ein Ärgernis geblieben ist. Sie blieb es nicht zuletzt auch deshalb, weil eine vorurteilsfreie, werkbezogene Rezeption von Kunst aus der DDR nur in Einzelfällen stattgefunden hat. Als Folge des Kalten Krieges konnte sich in der alten Bundesrepublik eine generelle Negativeinschätzung von Kunst aus der DDR festsetzen. Im Juni 1990 gipfelte sie in dem viel zitierten Interview, das Georg Baselitz der Zeitschrift art gegeben hat. Den Kollegen aus dem anderen Deutschland warf Baselitz seinerzeit „ohne Ausnahme“ vor, stets Propagandisten des Systems gewesen zu sein, womit sie „die Phantasie, die Liebe, die Verrücktheit verraten“ hätten. Alle Künstler von Relevanz seien frühzeitig weggegangen, die Verbliebenen hätten an Rekonstruktionen gearbeitet, aber nichts erfunden.16 In solchen Äußerungen reproduziert sich das Überlegenheitsgefühl, das von der Politik mit der als >Weltsprache der Freiheit< apostrophierten Abstraktion seit den frühen 1950er-Jahren gegen den Sozialistischen Realismus in Abwehrposition gebracht worden ist.

Es war ein konfliktreicher Prozess, eingeleitet durch einen Literatur- und Bilderstreit, in dem die Abwertung der Kunst und Literatur aus der DDR auch nach der deutschen Vereinigung zunächst fortgesetzt wurde17, bevor die Ausstellung Deutschlandbilder 1997 einen ersten ermutigenden Versuch unternommen hat, die deutsche Kunst nach 1945 in einem gesamtdeutschen Horizont wahrzunehmen. Doch erst die von amerikanischen und deutschen Kunsthistorikern zuerst in Los Angeles, seit dem 28. Mai in Nürnberg und ab 3. Oktober in Berlin präsentierte Ausstellung Kunst und Kalter Krieg. Deutsche Positionen 1945 –8918 lässt auf einen Durchbruch hoffen, der endlich einen westdeutschen Kulturimperialismus überwinden könnte. Bis jetzt haben wir mit dem politischen Paradox gelebt, dass es die Bundesrepublik war, die bis 1989 zwar die Einheit der deutschen Kultur als die Klammer für die Einheit der Nation beschwor, diese aber, als das Ziel, die deutsche Vereinigung erreicht war, allzu schnell wieder vergessen hat.

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1 In: Ausst.-Kat. Kunst in der DDR. Eine Retrospektive der Nationalgalerie, hrsg. von Eugen Blume und Roland März,  Berlin 2003, S. 33. Auf Hofmann selbst trifft diese kritische Beobachtung allerdings nicht zu. Er war einer der ersten Museumsdirektoren in der Bundesrepublik, die auch Werke von Künstlern aus der DDR für die Hamburger Kunsthalle angekauft haben.

2 Das Beratergremium (bestehend aus Kuratorium und Beirat) ist erstmals am 23. Oktober 2008 im Springer-Hochhaus zusammengetreten. Das Protokoll ist in Auszügen auf S. 16 – 23 wiedergegeben. Das Zitat von Walter Smerling findet sich auf S. 19.

3 Deutsche Übersetzung >Ist moderne Kunst kommunistisch?<, in: Charles Harrison und Paul Wood (Hrsg.), Kunstheorie im 20. Jahrhundert. Künstlerschriften, Kunstkritik, Kunstphilosophie. Manifeste, Statements, Interviews, Bd. II: 1940 – 1991, Ostfildern-Ruit 1998, S. 810ff.

4 In: Ausst.-Kat. documenta 1955, München 1955, Einleitung von Werner Haftmann, S.22.

5 Ausst.-Kat. II. documenta, Malerei, Köln 1959, Einführung von Werner Haftmann, S. 15.In den Abteilungen >Gemälde< und >Skulptur< der d2 war kein Künstler aus der DDR vertreten. Lediglich in der Abteilung >Druckgrafik< befanden sich zwei Zeichnungen von Gerhard Altenbourg aus einem Mappenwerk, das der  Westberliner Galerist Rudolf Springer herausgegeben hatte. Schon 1952 organisierte Springer im Westberliner Maison de France eine erste Einzelausstellung für Altenbourg.

6 Dietrich Mahlow hatte schon 1963 auch in der von ihm konzipierten, gemeinsam mit dem Amsterdamer Stedelijk Museum realisierten Ausstellung Schrift und Bild, die ab Juni in der Kunsthalle Baden-Baden gezeigt wurde, Werke von Carlfriedrich Claus einbezogen.

7 Will Grohmann (Hrsg.): Kunst unserer Zeit – Malerei und Plastik, Köln 1966, S. 257.

8 Ebd., S. 253.

9 Auf die Galerien, die sich für Kunst aus der DDR engagiert haben, kann hier nicht näher eingegangen werden. Eine der wichtigsten Initiativen: Michael Werner zeigt Ende 1968 in der Kölner Galerie Hake die erste Einzelausstellung von Ralf Winkler unter dem Titel deutsche avantgarde 3 a.r.penck, bilder. Seit den 1970er-Jahren erweitern sich diese Galerieaktivitäten zunehmend. Beispielhaft seien hier nur noch die Galerien Hertz (Bremen), Döbele (Ravensburg) und Tim Gierig (Frankfurt) erwähnt.

10 Andreas Karl Öhler, Vom Kalten Krieg zum warmen Händedruck, in: Hannelore Offner und Klaus Schroeder (Hrsg.), Entgrenzt – Ausgegrenzt. Bildende Kunst und Parteiherrschaft in der DDR 1961 – 1989, Berlin 2000, S. 466.

11 Ausst.-Kat.  Wilhelm Rudolph, Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Holzschnitte, Städtische Kunsthalle Düsseldorf 1975, S. 5.

12 Außerhalb der von Lothar Lang verantworteten Auswahl der sechs politisch sanktionierten Künstler aus der DDR, die in einer geschlossenen Rauminszenierung gezeigt werden, ist neben Penck auch Gerhard Altenbourg – wie schon 1959 – in der Abteilung >Zeichnung< der d 6 vertreten.

13 Im November 1979 eröffnet die mit dem gleichnamigen Verlag verbundene Elefanten Press Galerie in Westberlin eine Ausstellung >DDR-Kunst heute<, die in einer größeren Überblicksschau neben Heisig, Sitte, Tübke und den Altmeistern Niemeyer-Holstein, Mohr, Kettner und Rudolph auch Harald Metzkes, Nuria Quevedo und Volker Stelzmann sowie die Plastiker Fritz Cremer, Jo Jastram und Werner Stötzer vorstellt.

14 Zitate in: Tiefe Blicke, Köln 1985, S. 13 (Schmidt) und S. 328 (Anderson). Im folgenden Jahr (Juni 1986) zeigt das Westberliner Haus am Waldsee eine Ausstellung von fünf jungen Künstlern, von denen drei in Dresden und Ostberlin leben und zwei wenige Jahre zuvor in den Westen übergesiedelt sind: Der von Thomas Kempas inszenierte >Malstrom< umfasst Bilder von Ralf Kerbach, Helge Leiberg, Cornelia Schleime, Reinhard Sandner und Skulpturen von Hans Scheib.

15 „Projektleiter“ Lothar Romain hatte Antes, Girke, Graubner, Kiefer, Klapheck, Nay, Polke, Richter, Schumacher und Uecker ausgewählt. Für die DDR-Seite ist dem Katalog ein Vorwort von Kurt Nier, Stellvertreter des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten, beigegeben. Auch in dieser protokollarischen Differenz zur Bonner Bildhauerkunst-Ausstellung zeigt sich der Gegensatz beider Staaten in der nationalen Frage.

16 „Ein Meister, der Talent verschmäht“. Interview von Axel Hecht  und Alfred Welti mit Georg Baselitz, in: art 6 (1990), S. 70. In diesem Zusammenhang soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass der westdeutsche Malerfürst Markus Lüpertz seine noch 1990 kategorisch formulierten Verdikte gegenüber ostdeutschen Kollegen revidiert und sich als Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie 2005 an einer Festschrift für Bernhard Heisig zum Achtzigsten (im Leipziger Verlag Faber&Faber) mit einem Gedicht beteiligt hat. Darin finden sich folgende Zeilen: „So schufen die Maler hinter der Mauer/eine große Trotzdem-Bildwelt/die man lesen können musste/Bernhard Heisig ist ein Gigant/ dieser vergangenen Bretterwelt gewesen.“

17 Siehe dazu Rüdiger Thomas: Wie sich die Bilder gleichen. Ein Rückblick auf den deutsch-deutschen Literatur- und Bilderstreit, in: DA 5 (2007), S. 872ff.

18 Siehe den vorzüglichen Ausst.-Kat. Stephanie Barron und Sabine Eckmann(Hrsg.): Kunst und Kalter Krieg. Deutsche Positionen 1945-89, Köln 2009. Die Ausstellung wurde gemeinsam von Stephanie Barron und Eckhart Gillen kuratiert.

In: Deutschland Archiv, 42. Jg., H.4, 2009, S. 684-695.

© Karin Thomas

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